16.11.2024
Folge 20: Geliebt und bedroht – Schwalben brauchen Hilfe
NABU-Tipps zur Artenvielfalt zuhause
„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, kennt der Volksmund ein weit verbreitetes Sprichwort. Aber dass ein Sommer immer öfter fast ohne Schwalben stattfindet, droht zur traurigen Gewissheit zu werden, wenn der Trend anhalten sollte, der sich bei Mehl- und Rauchschwalbe andeutet, warnt der NABU Essershausen – und gibt Tipps, um selbst für Schwalben aktiv zu werden.
Sie brüten stets in der Nähe des Menschen
„Wir sehen mit großer Sorge, dass es sowohl der Mehlschwalbe als auch der Rauchschwalbe von Jahr zu Jahr schlechter geht“, sagt Christoph Gath, Vorsitzender der NABU-Ortsgruppe Essershausen. „Beide Arten sind Kulturfolger, sie brüten stets in der Nähe des Menschen; die Rauchschwalben mit der rostroten Kehle in Gebäuden, die hellen Mehlschwalben an Gebäuden.“ Die Mehlschwalbe war 1974 der NABU Vogel des Jahres, die Rauchschwalbe 1979. Bereits damals begann der Rückgang beider Arten offensichtlich zu werden.
Mehl- und Rauchschwalbe gehören zu den Langstreckenziehern.
Die Wintermonate verbringen sie auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara – ein gefährliches Unterfangen, denn viele Schwalben finden in südlichen Ländern bereits auf dem Zug ein grausames Ende durch Bejagung. Zudem macht ihnen, wie vielen anderen Vogelarten, der Klimawandel zu schaffen, der die Wüsten wachsen lässt. „Die Hauptfaktoren für ihren rapiden Sinkflug seit vielen Jahren liegen jedoch bei uns in Deutschland“, betont Christoph Gath: „Da summiert sich einiges auf: Durch die zunehmend industrialisierte Landwirtschaft mit Ausräumung der Landschaft, dem Verlust artenreichen Grünlandes zugunsten trostloser und ökologisch wertloser Maiswüsten, das Verschwinden von Feldgehölzen, Wegrainen und Brachen sowie den Pestizid- und übermäßigen Düngereinsatz und auch durch Flächenversiegelung ist ein dramatischer Rückgang der Insekten in Gang gekommen, sowohl, was deren Biomasse, als auch, was deren Artenanzahl betrifft – und damit wurde und wird den Schwalben die Nahrungsgrundlage entzogen. Hinzu kommt“, ergänzt der NABU-Mitarbeiter, „dass immer mehr Flächen, auch landwirtschaftliche Wege und Höfe, versiegelt werden, sodass die Schwalben große Probleme haben, an ihr Nistmaterial, lehmige Erde, zu gelangen, mit dem sie ihre kunstvollen Nester bauen müssen!“
Ställe und Scheunen verschlossen
Auch würden immer häufiger Einflüge in Ställe und Scheunen verschlossen, sodass Rauchschwalben, die ihre Nester im Inneren der Gebäude auf Grundlagen wie Balken und Streben bauen, nicht mehr hineingelangen können. Mehlschwalben kleben ihre Nester hingegen an der Außenseite von Gebäuden unter Vorsprüngen an.
Garten so naturnah wie möglich
Christoph Gath gibt Tipps, mit denen alle Schwalbenfreunde diesen Tieren – und damit gleichzeitig vielen anderen Arten, für die Mehl- und Rauchschwalbe stellvertretend stehen – helfen können: „Ein Garten sollte so naturnah wie möglich sein. Heimischen Sträuchern, Bäumen, Stauden, Kräutern sollte stets der Vorzug vor Exoten gegeben werden, die vielleicht schön aussehen, ökologisch gesehen jedoch so gut wie wertlos sind. Dann gibt es auch ausreichend Insekten im Garten. Zudem sollte der Versiegelungsgrad des eigenen Grundstücks so gering wie möglich bleiben. Es kann für Schwalben auch eine kleine Lehmpfütze angelegt werden, die regelmäßig gewässert werden sollte, sodass die Tiere daraus leicht ihr Baumaterial gewinnen können. Und“, ergänzt der NABU-Experte, „es sollten sowohl Einflüge wie Oberlichter oder Scheunentorteile offenstehen, um den Rauchschwalben den Zuflug in ihr Brutgebäude zu ermöglichen.“
Kunstnester aus dem bewährten Material Holzbeton anbringen
Zudem sollte auch darüber nachgedacht werden, Kunstnester aus dem bewährten Material Holzbeton anzubringen. Diese gibt es seit vielen Jahren sowohl als Napfnest für die Rauchschwalbe als auch als Doppelnest für die Mehlschwalbe im Fachhandel. Wer verhindern möchte, dass Kot unter Schwalbennestern an die Wand oder auf den Boden fällt, kann dies durch die Anbringung ebenfalls im Handel erhältlicher oder auch einfach selbst zu fertigender Kotbretter erreichen. „Die Kunstnester haben sich hervorragend und vieltausendfach bewährt“, weiß Christoph Gath aus eigenen Erfahrung in mehr als 35 Jahren Naturschutzpraxis zu berichten: „Oft werden sie bereits im ersten Jahr bezogen – übrigens in der Regel Jahr für Jahr vom gleichen Schwalbenpärchen, denn dieses kehrt nach vielen tausend Kilometern Flug aus den Winterquartieren so gut wie immer in das gleiche Nest zurück! Oft scheinen Kunstnester die Schwalben auch dazu anzuregen, selbst Nester daneben oder dazwischen zu bauen – das macht natürlich nichts, sondern ist genauso willkommen! Und mitunter werden sie auch auf lustige Weise ‚fehlbelegt‘, etwa von Zaunkönigen, Spatzen oder Hummeln“, sagt Gath, der empfiehlt, stets mehrere Nester an geeigneten Stellen anzubringen. Schwalben-Nisthilfen können mit etwas Geschick auch selbst gebaut werden. Mehl- und Rauchschwalben brüten in der Regel zweimal im Jahr, bei der Rauchschwalbe kann mitunter sogar eine dritte Jahresbrut erfolgen.
Bundesweite NABU-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“
Stolze Besitzer von Häusern und anderen Gebäuden, an oder in denen sich Nester der Mehl-und Rauchschwalbe befinden, können sich an der bundesweiten NABU-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ beteiligen, mit der der NABU ein „Dankeschön“ an diese sagen möchte. Dafür gibt es Urkunde und Plakette! Im Internet finden sich dazu Details und ein Bewerbungsformular. Und wer den NABU in seinem Kampf gegen den Zugvogelfang im Süden unterstützen möchte, ist auch hoch willkommen.
Uferschwalbe
„Es gibt hierzulande übrigens noch eine weitere Schwalbenart, die Uferschwalbe“, schließt Gath seine Ausführungen. „Sie brütet allerdings an ganz anderer Stelle, nämlich in selbst gebauten Brutröhren in sandigen Lagen wie Uferabbrüchen, Sandabbauflächen und ähnlichen Plätzen.“
In nächster Zeit beginnt der Rückzug der Schwalben in ihre Wintergebiete.
Der NABU Essershausen hofft darauf, dass auch in den kommenden Jahren „viele Schwalben weiterhin den Sommer machen“ und noch mehr Vogelfreunde für sie aktiv werden: „Es muss dringend etwas geschehen!“
Mehr über die Arbeit der Essershäuser Naturschützer gibt es auf der Homepage: www.nabu-essershausen-com.jimdofree.com
Quelle:
NABU Essershausen