10.11.2024

Verein „Walking with Giants“

Hilfe für Kinder mit Gendefekten und ihren Familien

Vereinsvorsitzende Simone Braunsdorf-Kremer mit ihrem Sohn Jonathan und Ehemann Andreas (v.l.). Foto: Privat

Der gemeinnützige Verein „Walking with Giants Germany“ mit Sitz in Hadamar ist eine Außenstelle des Dachvereins in Liverpool, der sich um Familien kümmert, die von MOPD Typ 1 und anderen Formen von Mikrozephalem Primordialen Kleinwuchs (MPD) betroffen sind.

Dieser Gendefekt auf der Welt extrem selten
Simone Braunsdorf-Kremer und ihr Mann Andreas Kremer freuten sich 2015 auf ihr zweites Kind. Doch schon vor der Geburt spürten sie, dass mit ihm irgendwas nicht stimmen kann. Der Fötus war viel zu klein. Trotzdem bekam Simone Braunsdorf-Kremer nach Untersuchungen nach eigenen Angaben von den Ärzten gesagt, dass ihr Kind voraussichtlich gesund zur Welt kommen werde. Das lag, wie die Mutter denkt, wohl daran, „dass dieser Gendefekt auf der Welt so extrem selten ist, dass er nicht automatisch ausgetestet wird und die meisten Ärzte nie in ihrer Laufbahn mit einem solchen Fall zu tun hatten“.

Voraussichtlich nur eine Lebenserwartung von neun Monaten
Später wurde der Gendefekt aber dann doch bei Jonathan diagnostiziert und die Eltern bekamen die schlimme Nachricht, dass ihr Junge voraussichtlich nur eine Lebenserwartung von neun Monaten haben würde. Von daher sind die Eltern froh, dass sie ihren kleinwüchsigen und nur 91 Zentimeter großen Sohn nach neun Jahren immer noch haben. Trotzdem ist das Leben der Familie immer durch Ängste geprägt. Denn kaum ein MOPD Typ1-Betroffener erreicht das Erwachsenenalter. Ein Schnupfen könnte theoretisch schon zum Tod von Jonathan führen. Wie Simone Braunsdorf-Kremer berichtet, „sterben die meisten MOPD1-Betroffenen an Infekten, weil ihr Immunsystem extrem schwach ist“. Darum ist die Familie extrem vorsichtig und vermeidet gerade zu Zeiten von RSV- und Grippewellen Außenkontakte. Trotzdem hatte die Familie gerade erst alle eine Corona-Erkrankung. Die Eltern sind heilfroh, dass Jonathan seine gut überstanden hat.

Kaum Literatur darüber
Mittlerweile ist die Familie gut auf den Gendefekt und die dadurch erforderlichen Besonderheiten im Leben eingestellt. In der Anfangszeit musste sich das Ehepaar Informationen aber noch mühsam im Internet zusammensuchen, denn es gab noch kaum Literatur darüber. 2017 wurden Simone Braunsdorf-Kremer und ihr Mann dann auf „Walking with Giants“ aufmerksam. Die Organisation aus Großbritannien investiert Geld in die Forschung und bietet jährliche Treffen an, bei denen sich Betroffene informieren und austauschen können. Familie Braunsdorf-Kremer war das erste Mal 2018 vor Ort. Es entstand die Idee, auch eine Deutschland-Zentrale zu gründen, weil nicht jeder deutschsprachige Betroffene Englisch versteht. Mit Familie und Freunden wurde 2018 der der deutsche Tochterverein gegründet, dessen 1. Vorsitzende Simone Braunsdorf-Kremer ist.

Für den gemeinnützigen Verein „Walking with Giants Germany“ werden immer Mitglieder, Förderer und Betroffene gesucht.
Simone Braunsdorf-Kremer stellt dabei klar, dass sie die eigene Familie nicht mit Vereinsgeldern unterstützt, selbst wenn dies möglich wäre. Denn sie möchte nicht in Interessenskonflikte geraten. Von daher ist sie froh über die Hilfe der „Summerfield Kids Foundation“ des Eschhöfer Musikproduzenten Matthias Distel („Ikke Hüftgold), die der Familie künftig zwei Mal im Monat eine professionelle Betreuerin des Kinderhospizes in Hachenburg bezahlen wird, damit das Ehepaar auch mal ohne Sorgen für ein paar Stunden zusammen ohne Jonathan das Haus verlassen kann. Denn der muss regelmäßig 19 Medikamente nehmen und aus Gesundheitsgründen immer gut im Auge behalten werden, dass ihn nicht einfach mal die Großeltern oder Freunde für ein paar Stunden auf ihn aufpassen können.

Aktuell nur 200 diagnostizierte Kinder weltweit
Jeder MOPD 1-Fall ist anders Es gibt aktuell nur 200 diagnostizierte Kinder weltweit, die genau denselben Gendefekt wie Jonathan haben. Der Neunjährige ist geistig eingeschränkt, kann nicht laufen und nicht sprechen. Zum Glück kann er aber über ein Kommunikationsprogramm mit seinen Eltern kommunizieren, so dass er ihnen mitteilen kann, was ihn bewegt. In der Wohnung kann der neunjährige Junge sich gut krabbelnd fortbewegen. Ansonsten besucht er regelmäßig eine Limburger Förderschule. Simone Braunsdorf-Kremer ist ihr Vereinsengagement wichtig, damit andere betroffene Familien sich nicht so alleine wie sie in der Anfangszeit fühlen. Jeder mit einem MPD-Kind soll Zugang zu neuen Forschungsergebnissen haben und Unterstützung bekommen, wenn diese gebraucht wird. Es sollen auch der Austausch mit Ärzten intensiviert und das Thema Gendefekt bekannter gemacht werden. Denn es gebe immer noch viele Eltern, die keine Diagnose für ihre Kinder hätten. Simone Braunsdorf-Kremer findet, dass pflegende Eltern viel mehr finanzielle Hilfe vom Staat bekommen müssten, um Kindern mit Gendefekt und ihren Angehörigen das gemeinsame Leben handelbarer zu machen, denn auch engagierte Eltern brauchen als Betreuer mal für sich pausen.

Wer mit dem Verein „Walking with Giants Germany“ Deutschland in Kontakt treten möchte, erreicht ihn über www.walkingwithgiants.de

Quelle: Landkreis Limburg-Weilburg (rk)

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