30.10.2024
Folge 19: Aus dunklen Waldesecken zur Brut im Blumenkasten – Wundervogel Amsel
NABU-Tipps zur Artenvielfalt zuhause
„Der schwarze Amselhahn findet sich nur im finstren Thann.“ Worte aus einem Forstbuch der 1840er Jahre. Worte, die heute – zu Recht – verwundern! „Finstrer Thann“? Gemeint waren die verschwiegenen, abgelegenen Bereiche dichter Wälder. Und der „damalige“ Forstmann beschrieb, was zu seiner Zeit Realität war: Die Amsel war ein scheuer und relativ seltener Waldvogel, den Städter selten zu Gesicht bekamen.
Mittlerweile häufigster Gartenvogel in Deutschland
„Das hat sich grundlegend geändert. Bei kaum einer anderen Vogelart hat es einen so radikalen Wandel gegeben wie bei der Amsel, unserem mittlerweile häufigsten Gartenvogel in Deutschland und Mitteleuropa“, sagt Christoph Gath, Vorsitzender der NABU-Ortsgruppe Essershausen, den die enorme Wandlungsfähigkeit dieser zu den Drosseln zählenden Art fasziniert. Im Volksmund trägt sie bei vielen Menschen den treffenden Zweitnamen „Schwarzdrossel“.
Siegeszug der Amsel
„Die Amsel hat sich der Verstädterung angepasst. Mit dem Wachstum von Städten und Dörfern und der Schaffung von Gartenstrukturen kam die Amsel aus den Wäldern dorthin – ohne freilich den Lebensraum Wald aufzugeben. Die lockere Struktur der Städte und Dörfer des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mit ihren oft auch größeren Gärten – die Menschen ernährte sich hauptsächlich von selbst angebautem Obst und Gemüse sowie aus der Kleintierhaltung – sowie die Entstehung von Parks und Grünanlagen förderten den Siegeszug der Amsel. Hier fand sie Nahrung und Brutmöglichkeiten, vor allem in Hecken, Bäumen und Sträuchern“, berichtet der Naturschützer. Die Amsel ist nicht wählerisch, auf ihrem Speisezettel stehen Regenwürmer, Insekten, Spinnen, aber auch Beeren, Früchte, Nüsse und Samen.
Drei Jahresbruten keine Seltenheit mehr
„Und die Amsel ist geblieben, weil sie sehr anpassungsfähig ist. Sie baut ihr Nest – mittlerweile sind drei Jahresbruten keine Seltenheit mehr – sogar in Innenstädten, stets vorausgesetzt, dass ausreichend Nahrung erreichbar ist. In so mancher dicht bebauten Innenstadt kann der melodische Gesang des Amselhähnchens von der höchsten Stelle des Hauses, von so manchem First oder Mast weithin gehört werden.“ Der NABU erfährt immer wieder von teilweise ungewöhnlichen Brutplätzen, wie Christoph Gath aus seiner mehr als 40-jährigen Naturschutzpraxis von vielen Anrufen berichtet: „Nicht selten werden Amselnester auf Balken und Dachvorsprüngen, in Carportnischen, manchmal sogar auf vorstehenden Rollladenkästen oder in Blumenkübeln auf Balkonen gebaut – erwartet werden sie eher in Büschen und Bäumen, wo sie gern auf Nistquirlen gebaut werden, weil das Nest dort die beste Stabilität erreichen kann.“ Sogar auf Anhängerdeichseln unter Fahrzeugen wurden bereits Amselnester gefunden.
Amseln sind sehr häufig am Futterplatz zu finden.
„Immer mehr Menschen füttern mittlerweile auch in Deutschland ganzjährig“, berichtet Gath. „Amseln weisen oft eine sich verringernde Distanz zum Menschen auf, gerade auch an Futterplätzen. Als regelrechte ‚Vitaminbomben‘ lieben sie dort ausgelegte Äpfel, gerade auch im Winter.“
Infektionswelle des aus Afrika stammenden Usutu-Virus
Dieses Jahr schlug eine Infektionswelle des aus Afrika stammenden Usutu-Virus bei den heimischen Amselbeständen sehr stark zu, wobei es regionale Unterschiede der Infektionsraten gab „Amseln kann leicht im Garten geholfen werden“, fasst Christoph Gath zusammen: „Je vielfältiger der Garten, desto besser für alle Gefiederten, weil sie dort Nahrung, Brutmöglichkeiten und Deckung finden. Besonders wichtig ist es, statt exotischer Pflanzen, die für unsere heimische Tierwelt weitgehend nutzlos sind, auf heimische Bäume und Sträucher zurückzugreifen und während der Brutzeit auf Gehölzschnitt zu verzichten. Zudem sollte ein Verzicht auf Pestizide im Garten heute mittlerweile selbstverständlich sein – giftfreies Gärtnern ist das Gebot der Stunde, auch, um Insektenvielfalt zu erhalten, die unter anderem die Lebensgrundlage von Vögeln und Kleinsäugern darstellt.“
Quelle:
NABU Essershausen